20.07.2021 | Seit vielen Jahren setzen sich die NaturFreunde Berlin für den schnellen und flächendeckenden Ausbau der Straßenbahn als zentralen Baustein einer ÖPNV-Strategie für Berlin ein. Straßenbahnen sind dabei die zentrale Infrastruktur, mit der ein kosteneffizienter, klimagerechter und flächendeckender Ausbau der ÖPNV sichergestellt werden kann.
Mit der Straßenbahn kann ein barrierefreier Nahverkehr organisiert werden, der den öffentlichen Nahverkehr sichtbar zurück in die Mitte der Straße holt. Auch wenn die U-Bahn für die Sicherung von großen Transportkapazitäten in den Innenstädten sicherlich eine wichtige Funktion hat, ist sie vor allem auch Teil des autogerechten Umbaus der Städte. Öffentlicher Verkehr wurde in den Untergrund verbannt, damit der Straßenraum vor allem vom motorisierten Individualverkehr genutzt werden konnte. Die Schaffung von neuen Straßenbahnlinien macht es möglich, dass die Nutzer*innen keine Treppen überwinden müssen. Neue Straßenbahnlinken können um ein Vielfaches schneller, kostensparender und auch klimafreundlicher errichtet werden als die U-Bahn und erreichen zugleich über kürzere Stationsabstände eine größere Dichte in der ÖPNV-Versorgung.
Die NaturFreunde setzen sich für den Bau von Rasentrassen ein, um mitzuhelfen, zusätzliches Grün in die Straßen der Berliner Innenstadt zu bringen. Straßenbahnen haben gleichzeitig den Vorteil, dass sie viel mehr Menschen zugleich befördern können als die chronisch überfüllten Busse. Auch die Rückkehr der Güterstraßenbahn wäre eine Option, die dazu beitragen können, die Stadt von LKWs zu entlasten.
Studie zur Klimabilanz von Straßenbahn und U-Bahn erarbeitet
Ein Autorenteam hat vor wenigen Wochen eine Studie zur Klimabilanz der U-Bahn- und Straßenbahnplanungen in Berlin vorgelegt. Sie haben dabei untersucht, ob die vorgeschlagenen Verlängerungen einzelner U-Bahn-Strecken klimapolitisch sinnvoll sind. Ziel der Studie ist, „mit klaren und objektiv messbaren Kriterien […] die Vor- und Nachteile verschiedener Verkehrsmittel zu ermitteln“[i]. Sie weisen weiter darauf hin, dass die Klimabilanz „bei der Beurteilung verkehrspolitischer Maßnahmen bislang eine untergeordnete Rolle“[ii] gespielt habe. Die Studie zeigt auf, dass beim „Neubau eines durchschnittlichen Kilometers U-Bahn-Tunnelstrecke […] rund 100.000 Tonnen CO2“[iii] freigesetzt wird. Bei allen bisher vorgeschlagenen neuen U-Bahn-Verlängerungen beträgt die Länge zwischen einem und fünf Kilometern. „Die Umsetzung dieser Projekte würde jeweils zwischen 100.000 und 500.000 Tonnen des klimaschädlichen Kohlendioxids emittieren.“[iv] Auf den neuen Streckenabschnitte „zwischen 7.000 und 40.000 neuen Fahrgästen pro Tag“ prognostiziert, was zu einem „CO2-Einsparpotential infolge ersetzter Bus- und Autofahrten zwischen 700 und 5.000 Tonnen CO2 pro Jahr“[v] führen würde. „Bis die beim Bau der U-Bahn-Trassen freigesetzten CO2-Mengen durch die CO2-Einsparungen im Betrieb amortisiert werden könnten, würden zwischen 109 und 230 Jahre vergehen“[vi].
Weiter in der Studie: „Der Neubau von einem Kilometer Straßenbahntrasse setzt hingegen zwischen 7.000 und 12.000 Tonnen CO2 frei — nur etwa ein Zehntel. Im Fall der aktuell in Planung befindlichen Straßenbahn-Trasse vom Alexanderplatz zum Kulturforum wird die durch den Bau bedingte CO2-Belastung bereits nach 9,4 Jahren Betrieb amortisiert. Die Planung sieht in Teilen, wo die Trasse in einer auch von Autos genutzten Fahrbahn verläuft, ein Betonbett vor. Würde die Trasse stattdessen komplett als eigener Gleiskörper in Schotter-Oberbau oder Rasenbett realisiert, würde sie nach 8,1 Jahren amortisiert.“[vii]
Die Untersuchung hat die derzeit vorgeschlagenen U-Bahnstreckenabschnitte untersucht und zeigt auf, dass bei der vorgeschlagenen „U9 Nord“, die 3,27 km lang werden würde, die „Kompensation der CO2-Emission beim U-Bahn-Bau durch vermiedene Pkw- und Bus-Fahrten“[viii] 109 Jahre dauern würde. Bei der U7 zum Flughafen BER 114 Jahre, der „U3 Süd“ 129 Jahre, der „U8 Nord“ 168 Jahre, der U6 zum ehemaligen Flughafen Tegel 230 Jahre.[ix] Für die Verlängerung der U2 bis zur Pankower Kirche und der U7 Heerstraße ist das Fahrgastaufkommen bisher nicht berechnet, weswegen die notwendige Kompensationszeit nicht ermittelt werden konnte.
Die Studie zeigt eindringlich auf, dass die weitere absolute Priorisierung des Ausbau des Straßenbahnnetzes gerade in Zeiten der Klimakrise notwendig und richtig ist. Die NaturFreunde werden sich deshalb weiterhin aktiv im „Bündnis Pro Straßenbahn“ und mit vielfältigen eigenen Aktionen wie den geplanten Stadtspaziergängen zu neuen Straßenbahnen, den „Straßenbahnexpeditionen“ und den Aktionen zum Ausbau der Straßenbahn in Spandau und in das Märkische Viertel für den Ausbau der Straßenbahn stark machen.
Uwe Hiksch
[i] Matthias Dittmer/Frank Geraets/Axel Schwipps, Die Klimabilanz Berliner U-Bahn- und Straßenbahnplanungen, S.3.
[ii] Ebd.
[iii] Ebd., S. 4.
[iv] Ebd.
[v] Ebd.
[vi] Ebd.
[vii] Ebd.
[viii] Ebd. S. 10.
[ix] Ebd. S. 10, alle Zahlen aus Tabelle 3.