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26.02.2025 | Eilantrag der NaturFreunde Berlin stoppt illegale Abriss- und Rückbauarbeiten des Spekulanten Romeo Uhlmann auf dem Kulturhof Kolonie10 im Berliner Wedding per Gerichtsbeschluss -
Am Freitag hat das Verwaltungsgericht auch den zweiten Eilantrag der NaturFreunde Berlin e.V. gegen den Abriss in der Koloniestraße10 positiv beschieden: „Die Abrissarbeiten dürfen, zum Schutz des Haussperlings, vorerst nicht fortgesetzt werden.“ Die NaturFreunde erwarten vom Bezirksamt Mitte und der Untere Naturschutzbehörde des Bezirks, dass sie dafür sorgen, dass dies auch eingehalten wird.
Ein bemerkenswerter Aspekt des Urteils ist die deutliche Kritik des Gerichts am vorgelegten Artenschutzgutachten des vom Investor beauftragten Gutachters. Die Richter stellten unmissverständlich fest, dass versäumt wurde ein “hinreichend konkretes, verbindliches und anerkannten Fachstandards entsprechendes artenschutzrechtliches Konzept vorzulegen.” Die langjährigen Bedenken von Naturschützern und engagierten Anwohnern hinsichtlich der Qualität und Unabhängigkeit des vorgelegten Gutachtens werden somit bestätigt.
Im Urteil des Verwaltungsgerichts wird ausgeführt: „Der Antragsgegner wird im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, der Beigeladenen vorläufig bis einschließlich 28. Februar 2025 zu untersagen, auf dem Grundstück Koloniestraße 10 in 13357 Berlin (Gemarkung Wedding, Flur 15, Flurstück 537) Abriss- oder Rückbaumaßnahmen, einschließlich des Abbruchs der Asphaltdecke im Hofraum sowie der Entfernung von Nistkästen, vorzunehmen oder vornehmen zu lassen und den Efeubewuchs an der Pergola (im Plan „Bestandsvegetation 02.2024“ des Büros Stefan Wallmann Landschaftsarchitekten als „Efeu-Dickicht“ bezeichnet) sowie die fünf Ligusterhecken (im Plan „Bestandsvegetation 02.2024“ des Büros Stefan Wallmann Landschaftsarchitekten als „Liguster Hecke [1] bis [5]“ bezeichnet) zu beseitigen oder beseitigen zu lassen.“
Dazu Uwe Hiksch, Mitglied im Vorstand der NaturFreunde Berlin: „Das Urteil des Verwaltungsgerichts hat deutlich aufgezeigt, dass die von Investoren in Auftrag gegebenen Artenschutzgutachten fachlich und sachlich eine Mindestvoraussetzung zur Erfüllung des gesetzlich vorgeschriebenen Artenschutzes erfüllen müssen. Der Investor wäre verpflichtet gewesen, vorab ein qualifiziertes Artenschutzgutachten erstellen zu lassen, um den gesetzlich vorgeschriebenen Artenschutz umzusetzen.“
Zahlreiche artenschutzrelevante Strukturen in der beispielhaften Gartenanlage des Kulturhofs Koloniestraße 10 wurden jedoch durch die Abrissfirma mit Namen ‚Karamba Karacho’ bereits zerstört, obgleich keine Ausnahmegenehmigung von den zuständigen Behörden erteilt wurde.
Der Haussperling (Passer domesticus) zählt als europäische Vogelart gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 13 BNatSchG zu den besonders geschützten Arten und unterfällt somit sowohl dem Schutz des Störungs- als auch des Schädigungsverbots. Die Nistplätze und Lebensstätten von Gebäudebrütern sind nach dem Bundesnaturschutzgesetz ganzjährig geschützt, ebenso Hecken und Mauerbewüchse, wenn sie als dauerhafte Lebensstätten für wildlebende Vogelarten und Fledermäuse eine ökologische Funktion haben. Der Artenschutz gilt hier sowohl bei Einzelbauvohaben, als auch bei B-Plänen im innerstädtischen Bereich.
Das Verwaltungsgericht ist in allen Punkten der Argumentation der Naturfreunde Berlin gefolgt:
- Bei Fortsetzung der Abriss- und Abbrucharbeiten im Hof des Grundstücks und bei Beseitigung der Vegetation besteht die konkrete Gefahr, dass die Fortpflanzungs- und Ruhestätten der Spatzen geschädigt bzw. gestört würden.
- Die Abrissarbeiten an den Garagen und der Abbruch des Asphaltbelags sind mit erheblichen Lärm- und Staubentwicklungen, Erschütterungen und Veränderungen des Mikroklimas verbunden. Dies birgt mit hoher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Vergrämung der Spatzen und einer Aufgabe der Nistplätze.
- Es fehlt an einem verbindlichen und hinreichend konkreten Ausgleichskonzept, dass die drohenden Verstöße gegen den Artenschutz kompensieren könnte.“
- Ab 1. März beginnt die gesetzlich geschützte Brutzeit der Vögel. In dieser Zeit darf ebenfalls nichts gebaut oder abgerissen werden.
Erneut haben die ehrenamtlichen Artenschützer*innen des Arbeitskreises „Artenschutz bei Bauvorhaben“ der NaturFreunde Berlin in ihrer Freizeit durch die Erstellung von qualifizierten Artenschutzgutachten die Richter*innen am Verwaltungsgericht davon überzeugen können, dass die von den Investoren aber auch öffentlichen Bauherren vorgelegten Artenschutzgutachten nicht die Mindestanforderungen an den gesetzlich vorgeschriebenen Artenschutz erfüllen.
Die NaturFreunde werden sich weiterhin dafür einsetzen, dass Bauherren sich in Zukunft nicht mehr ihre Gutachter*innen selbst aussuchen können, sondern diese von der Unteren Naturschutzbehörde zugewiesen werden, um damit die Gefahr von ‚gefälligen Gutachten‘ einzuschränken. Denkbar wäre ebenso eine Vereidigung von Gutachter*Innen durch die IHK sowie die Finanzierung über revolvierende Fonds. Wir fordern zudem, dass die Senatsverwaltung für Umwelt eine neue Sachverständigenliste für artenschutzrechtliche Gutachten bei Bauvorhaben erstellt, denn die alte Liste wurde seit 2019 nicht mehr aktualisiert und musste vom Netz genommen werden. Hier muss das Wettbewerbsrecht beachtet werden und für Transparenz auf dem Gutachtermarkt gesorgt werden. Gleichermaßen muss gewährleistet werden, dass die vorgegebenen Methodenstandards der Kartierung eingehalten werden.
Die NaturFreunde werden sich auch weiter für die Koloniestraße 10 engagieren. Wir danken den vielen Unterstützenden, die mit Worten, Taten und Spenden diesen Eilantrag für den Abriss-Stopp möglich gemacht haben und hoffen auf weitere Unterstützung.
Kontakt:
NaturFreunde Berlin, Uwe Hiksch, hiksch@naturfreunde.de, Tel.: 0176-62015902