Nachhaltigkeit – Was soll das eigentlich sein?
Häufig setzten wir Nachhaltigkeit mit ökologischem und klimafreundlichem Handeln gleich. Das ist nicht verwunderlich, denn die Klimakrise bedroht unsere gesamte Existenz. Dennoch muss Nachhaltigkeit auch immer als Zusammenspiel verschiedener Faktoren verstanden werden. Dazu lohnt es sich die Säulen der Nachhaltigkeit als gesellschafts- und entwicklungspolitisches Konzept näher zu beleuchten.
Neben dem Aspekt der Ökologie müssen beim Begriff der Nachhaltigkeit auch immer ökonomische und soziale, sowie in vielen Zusammenhängen politische und kulturelle Perspektive mitgedacht werden. Projekte und Programm die sich als nachhaltig bezeichnen, müssen sich daher immer an allen diesen Punkten messen lassen.
Leider zeigt sich bei genauerer Betrachtung, dass vor allem in der Klima- und Umweltpolitik die Bewertung der Nachhaltigkeit zu oft nur am Kriterium der Ökologie fest gemacht wird. Soziale Einflüsse und Betrachtungsweisen werden häufig vernachlässigt. Es offenbart sich, dass Klimaschutz vielfach nur aus einer bürgerlichen Perspektive betrachtet wurde und die Frage der Finanzierung und des sozialen Ausgleichs in den Hintergrund rückte. Klimaschutz muss anderes gedacht werden, denn für einen gesellschaftlichen Wandel benötigt es eine Mehrheit in der Gesellschaft. Diese findet sich aber nur dann, wenn die „sozial-gerechte Bekämpfung der Klimakrise“ mehr als eine Phrase wird.
Bestes Beispiel sind die aktuell explodierenden Strompreise. Die Gründe sind komplex. Doch durch den hohen CO2-Preis sind die Kohlekraftwerke kaum mehr rentabel. Das ist zwar sinnvoll, doch die sozialen Folgen wurden nicht bedacht. Das Stromloch, das durch den Stopp der Produktion von Kohlestrom gerissen wurde, sollte kurzfristig durch Gaskraftwerke gestopft werden. Da Putin in Folge des Ukraine-Konflikts jedoch weniger Gas an die EU verkauft, wird die Produktion immer teurer.
Beim CO2-Preis werden die finanziell schwächeren Haushalte nicht nur prozentual deutlich stärker belastet, sie werden auch von den Auswirkungen des steigenden Strompreises unverhältnismäßig stark getroffen. Dies hätte die Politik schon vor der Erhöhung des CO2-Preises bedenken müssen.
Im Gegenteil wird das eigentliche Problem noch immer nicht konsequent angegangen. Das Monopolkapital ist für den überwiegenden Teil der Umwelt- und Klimazerstörung verantwortlich, daher müssten die Großunternehmen deutlich höher besteuert werden. Diese Mehreinahmen könnten reinvestiert werden, um den Klimaschutz sozialgerecht zu gestalten. Dazu gehören beispielsweise Klimadividenden und Heizkostenzuschüsse an einkommensschwächere Bürger*innen. Außerdem sollten die Vermieter*innen zu einer energetischen Sanierung verpflichtet werden, deren Aufpreis sich allerdings nicht auf die Miete aufschlagen darf.
Bei der EEG-Umlage und den Investitionen in E-Mobilität zeigt sich wiederum, dass die bisherige Klimapolitik vor allem der Bourgeoisie zugutekommt. Die erneuerbaren Energien werden zu großen Teilen durch die EEG-Umlage subventioniert. Dabei werden 6% auf den Strompreis aufgeschlagen. Prozentual werden daher auch hier vor allem die geringen Einkommen belastet. Außerdem profitieren von der Subventionierung fast ausschließlich die oberen Einkommensschichten. Diese können sich beispielsweise eine Photovoltaikanlage leisten, oder Wärmepumpen in ihr Einfamilienhaus einbauen. Dazu fehlt der Arbeiter*innenklasse schlicht das Geld. Der Ausbau der industriellen Gewinnung von Strom aus erneuerbaren Energien wurde in des verschlafen und teilweise von der Politik aktiv verhindert. Dabei ist dies der beste Weg, die EEG-Umlage so zu reininvestieren, dass alle davon profitieren können.
Auch die millionenschweren Investitionen in die E-Mobilität und die Autokonzerne sind keinesfalls nachhaltig. Dies dient nur der Aufrechterhaltung der Konkurrenzfähigkeit Deutschlands auf dem internationalen Markt und dem heiligen Wirtschaftswachstum. Abgesehen davon, dass sich der ökologische Nutzen von E-Autos bezweifeln lässt, ist die Subventionierung ein Geschenk an die Gutverdiener*innen. Kaum ein*e Arbeiter*in kann sich ein E-Auto leisten, auch mit den hohen Prämien der Bundesregierung. Auch die Pendler*innenpauschale, die angeblich als sozialer Ausgleich dienen sollte, nützt in erster Linie der oberen Einkommensklasse. Das Argument der Arbeiter*innen auf dem Land, die ohne Autos nicht zur Arbeit kommen ist auch nur durch das Versagen der Politik plausibel. Zum einen haben Studien ergeben, dass der geringste Teil der Arbeiter*innenklasse weite Strecken pendelt. Außerdem müssen sie dies nur tun, weil der ÖPNV in ländlichen Gebieten kaum ausgebaut ist und in bestimmten Regionen schlichtweg nicht existiert. Im Endeffekt ist es die besitzende Klasse, die lange Strecken mit dem Auto zurücklegt und dadurch von der Pendler*innenpauschale profitiert. Vom Dienstwagenprivileg gar nicht zu sprechen. Nachhaltiger Klimaschutz wären Investitionen in den Nah- und Fernverkehr gewesen. Doch die Profitinteressen der Bourgeoise bestimmen die Handlungsrichtung der Politik und daher auch wie sich privat fortbewegt wird.
Insgesamt zeigt sich, dass die bisherigen großen klimapolitischen Maßnahmen kaum sozialgerecht gestaltet wurde. Sie spiegelten allesamt die Interessen des Monopolkapitals wieder und zeigen die unterschiedliche Gewichtung von Interessen auf politische Entscheidungen. In Zukunft muss sich diese ändern. Doch auch die Perspektiven einer Regierung mit Beteiligung von SPD und Grünen lassen kaum Veränderungen erkennen. Auch sie bleiben den Lobbyisten der großen Industriekonzerne stets verpflichtet. Gegen die Interessen der besitzenden Klasse werden daher wohl auch in Zukunft keine Veränderungen zu erwarten sein. Doch für nachhaltige Klimaschutz ist dies unbedingt notwendig. Ein Kampf für Klimaschutz bedeutet immer auch ein Kampf mit dem Proletariat. Denn nur dadurch können langfristig Strukturen nachhaltig verändert werden.