27.01.2021 | Die NaturFreunde Berlin begrüßen die Verlängerung der autofreien Friedrichstraße zwischen Leipziger Straße und Französischer Straße bis Ende Oktober 2021. Ausdrücklich unterstützen sie den Hinweis, dass nur ein Betrieb der autofreien Friedrichstraße in ‚Nicht-Corona-Zeiten‘ eine sinnvolle Evaluation des Projektes ermöglicht. Die NaturFreunde erwarten aus den Erfahrungen der Schaffung von Fußgänger*innenzonen in anderen Städten, dass sich sowohl die Feinstaubbelastung, als auch die Schadstoffe und der Verkehrslärm in der Straße merklich verringern werden, die Aufenthaltsqualität deutlich verbessert wird und damit die Friedrichsstraße an Attraktivität für Kund*innen gewinnen wird.
Dazu teilte die Verkehrsverwaltung mit, dass die derzeitige Situation aufgrund der Corona-Pandemie „die Vergleichbarkeit der Projekt-Auswirkungen mit dem vorherigen Zustand erschwert“[1] habe. Bis Oktober 2021 sollen deshalb „weitere Daten etwa zum Verkehrsaufkommen, der Luftqualität und dem Lärmpegel gesammelt werden“[2]. Geplant war, dass Modellprojekt „ursprünglich bis Ende Januar durchzuführen.
Bereits im Vorfeld wurde von der FDP eine Fortführung des Modellprojektes kritisiert, da davon auszugehen sei, „dass selbst in Corona-Zeiten wichtige Erkenntnisse und Hinweise aus der Auswertung bereits jetzt zu gewinnen sind“[3]. Der CDU-Verkehrspolitiker Oliver Friederici kritisiert, „dass die jeweils grün dominierten Verwaltungen auf Senats- und Bezirksebene das Projekt unbedingt als Erfolg verkaufen wollten, um es zu verlängern“[4]. Die Initiative Changing Cities sieht dagegen den bisherigen Versuch als „vollen Erfolg“[5] und fordert, dass die Zone „zeitlich und räumlich ausgeweitet werden“[6] solle. Verkehrssenatorin Regine Günter sagte, dass es das Ziel sei, „eine Innenstadt mit mehr Lebensqualität, mit besserer Luft und weniger Lärm, mit mehr Grün und einem entspannten Umfeld zum Flanieren und Einkaufen“[7] zu schaffen.
Die Verkehrsverwaltung sei „über Optionen der Straßengestaltung, Raumaufteilung, Logistik und weitere Möglichkeiten zur Optimierung des bisherigen Projektes“[8] im Gespräch mit dem Bezirk, der Senatsverwaltung und „im Austausch mit Anrainern, interessierten Bürger*innen und Verbänden“[9]. Positiv ist, dass erste Auswertungen zeigen, dass der Autoverkehr „in den Parallelstraßen (Glinka-, Charlotten- und Wilhelmstraße) weniger stark zugenommen [habe], als er in der Friedrichstraße zurückgegangen sei“[10]. Die Daten der Verkehrsinformationszentrale zeigten jedoch auch, dass „der Autoverkehr im Coronajahr auch an vielen anderen Stellen fast nie das übliche Niveau des Vorjahres erreicht hat“[11].
Forderung nach Fußgänger*innenzone
Prof. Eisentraut hingegen kritisiert den derzeitigen Modellversuch hart. Er bezeichnet das Projekt als „kläglichen Versuch, denn der scheinbar gewonnene Stadtraum ist von Podesten, Vitrinen und Schautafeln verstellt, und eine breite Radfahrbahn ersetzt die Autofahrbahn – mit nicht minder abweisender Wirkung“[12]. Er kritisiert, dass „die Flanierenden […] auf den ohnehin viel zu schmalen Gehsteigen gefangen“[13] blieben. Er regt an, dass in der Friedrichstraße eine „Neugestaltung eines städtischen Raumes“[14] notwendig sei, der nicht durch „die einfache Umnutzung einer Straße“[15] erreicht werden könne, sondern „nicht weniger als die Neugestaltung eines städtischen Raumes“[16] brauche. Wichtig sei weiter, dass nicht der „Abschnitt zwischen Französischer und Leipziger Straße allein“[17] betrachtet werde, sondern „die Friedrichstraße […] sich als Ganze zwischen Oranienburger und Halleschem Tor“[18] erstrecke.
Dazu weiter Prof. Eisentraut: „Will man sich für eine verkehrsfreie Straße entscheiden, muss diese wirklich verkehrsfrei, also auch fahrradverkehrsfrei sein. Der Versuch in der Friedrichstraße zeigt, dass die einseitige Bevorzugung eines Verkehrsmittels keinerlei Aufenthaltsqualität zulässt. Ungestörtes Flanieren, also zielloses Umherlaufen, in Schaufenster nach links und rechts schauen, spontanes Verweilen, aber auch geschäftiges Treiben – all das wird durch die dem Radweg innewohnende Dynamik gestört. Die gewollte Entschleunigung wird konterkariert.“[19]
Prof. Eisentraut kritisiert weiter, „dass es bei dem missglückten Provisorium gar nicht um die stadträumliche Qualität, nicht um den ältesten und wichtigsten Verkehrsteilnehmer, den fußgehenden Menschen, geht, sondern dass womöglich nur eine bequeme und störungsfreie Fahrradtrasse geschaffen werden sollte“[20].
NaturFreunde für dauerhafte autofreie Friedrichstraße
Die NaturFreunde setzen sich für eine endgültige Umwandlung der Friedrichstraße zwischen Oranienburger Straße und Leipziger Straße in eine autofreie Straße ein. Durch die Befreiung der Friedrichsstraße vom Autoverkehr bietet sich in dem Gebiet eine große Chance für eine klimagerechtere und nachhaltigere Entwicklung der Berliner Innenstadt. Ziel muss es in ganz Berlin werden, das der Straßenraum zugunsten der Menschen umverteilt werden. Die NaturFreunde werden in den nächsten Monaten konkrete Vorschläge für eine Weiterentwicklung einer autofreien Friedrichstraße vorstellen.
Uwe Hiksch
[1] Stefan Jacobs, Pilotprojekt „Flaniermeile“ in Mitte wird bis Oktober verlängert, in: Der Tagesspiegel, 22.01.2021, siehe: https://www.tagesspiegel.de/berlin/friedrichstrasse-bleibt-autofrei-pilo...
[2] Dpa-infocom, Projekt "Flaniermeile Friedrichstraße" wird verlängert, in: RTL.de, 22.01.2021, siehe: https://www.rtl.de/cms/projekt-flaniermeile-friedrichstrasse-wird-verlae...
[3] Elmar Schütze, Neuer Ärger um die Fahrradzone in der Friedrichstraße, in: Berliner Zeitung, 29.12.2020, siehe: https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/neuer-aerger-um-die-fah...
[4] Ebd.
[5] Ebd.
[6] Ebd.
[7] Christian Latz, Friedrichstraße bleibt bis Ende Oktober autofrei, in: Berliner Morgenpost, 22.01.2021, siehe: https://www.morgenpost.de/bezirke/mitte/article231391251/Friedrichstrass...
[8] Stefan Jacobs, Pilotprojekt „Flaniermeile“ in Mitte wird bis Oktober verlängert, a.a.O.
[9] Ebd.
[10] Ebd.
[11] Ebd.
[12] Wolf R. Eisentraut, Das Experiment „autofreie Friedrichstraße“ ist kläglich gescheitert, in: Berliner Zeitung, 19.01.2021, siehe: https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/friedrichs-strasse-und-...
[13] Ebd.
[14] Ebd.
[15] Ebd.
[16] Ebd.
[17] Ebd.
[18] Ebd.
[19] Ebd.
[20] Ebd.