18.06.2022 | Heute stehen die NaturFreunde wieder vor der schwierigen Frage, was können sie tun, um sich gegen Krieg und Gewalt zu wehren. Ein zentrales Ziel der NaturFreunde war seit ihrer Gründung, sich dafür einzusetzen, dass Bedingungen geschaffen werden, damit Kriege nicht mehr führbar sind. NaturFreund*innen kamen dabei immer aus sehr unterschiedlichen Traditionen: der antimilitaristischen Tradition der Arbeiter*innenbewegung und auch dem Pazifismus. Beide wurden von NaturFreund*innen vertreten.
Im Jahr 1914 gab es bei den NaturFreunde eine intensive Diskussion, wie sich er Verband gegenüber den sehr unterschiedlichen Positionen innerhalb der politischen Linken aufstellen sollte. Auf der einen Seite Friedrich Ebert und die Mehrheitssozialdemokratie, auf der anderen Seite Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, die sich aktiv gegen die Bewilligung der Kriegskredite aussprachen. 1916 kam es zum offenen Bruch innerhalb der SPD, nachdem die Mitglieder im Reichstag die gegen die Kriegskredite gestimmt haben, zuerst aus der Fraktion und dann aus der SPD ausgeschlossen wurden. Mit der Gründung von USPD und KPD mussten auch die NaturFreunde ein neues Verhältnis zu den veränderten politischen Rahmenbedingungen finden. Die NaturFreunde entschieden sich damals, sich klar gegen den Krieg zu positionieren, ohne ihre enge Verbundenheit zur Mehrheitssozialdemokratie infrage zu stellen.
Diese Äquivalenz zieht sich seit dieser Zeit durch die NaturFreunde-Bewegung. Innerhalb der Weimarer Republik positionierten sich die NaturFreunde – je nach Region – zwischen den verschiedenen Strömungen der parteipolitisch gebundenen Arbeiter*innenbewegung und ihren eigenständigen Anspruch auf gesellschaftliche Entwicklung. NaturFreund*innen waren Gewerkschafter*innen, Mitglied in verschiedenen Kulturorganisationen, Lebensreformer*innen aber auch Mitglied bei Freidenkern oder dem Arbeiter-Abstinenzler-Bund. Ende der 1920er Jahre wanden sich gerade in der NaturFreundejugend viele Funktionär*innen den Zwischenorganisationen zwischen SPD und KPD zu. Sie wurden Mitglied oder Sympathisant*innen von KPO, SAP oder auch ISK.
Nach der Machtübertragung an die Faschisten wurden tausende von NaturFreund*innen verfolgt, eingesperrt, gefoltert oder ermordet. Viele NaturFreund*innen schlossen sich dem Widerstand gegen den Faschismus an oder gingen ins Exil. Nach 1945 war es für viele NaturFreund*innen selbstverständlich in den antifaschistischen und antimilitaristischen Initiativen mitzuwirken und sich für eine Gesellschaft ohne Krieg und Militär zu engagieren.
Die nächste wichtige inhaltliche Positionsbestimmung stellt sich für die NaturFreunde in den 1950er Jahren mit der Entstehung der Anti-Atomtod-Bewegung, der Vorgängerorganisation der heutigen Ostermärsche. SPD und offizielle Gewerkschaftsführung standen der neuen Bewegung skeptisch bis ablehnend gegenüber, wollten sie doch einer Wiederbewaffnung und dem Aufbau der späteren Bundeswehr nicht entgegenstehen. Gleichzeitig engagierten sich viele Sozialdemokrat*innen und Linke, genau wie NaturFreund*innen gegen die Militarisierung der BRD und die damalige Forderung nach einer nuklearen Bewaffnung der Bundeswehr. Es waren auch Funktionär*innen der NaturFreunde, die diese Bewegung, trotz massiven Widerstands aus der SPD, mitprägten.
Friedenspolitik war seit der Gründung der NaturFreunde eine wichtige Positionierung des Verbandes. Bis heute ist die Friedenspolitik, genau wie der Antifaschismus, für viele Mitglieder Identifikation mit den NaturFreunden. NaturFreund*innen engagieren sich dabei in den verschiedenen Organisationen und Gruppen der Friedensbewegung: DFG-VK, IPPNW oder dem Kassler Friedensratschlag. Aber auch in den Protesten gegen den Vietnam-Krieg, die Notstandsgesetze oder den Nato-Doppelbeschluss fanden sich NaturFreunde ebenso wie in der Anti-AKW- und Asylrechtsbewegung.
Auch in den 1980er Jahren setzen sich die NaturFreunde gemeinsam mit vielen für eine sofortige Beendigung der Aufrüstung durch Mittelstreckenraketen in Europa ein. In den 1980er Jahren gingen Hundertausende für den Frieden und gegen die Stationierung von Pershing II-Raketen auf die Straße. NaturFreunde beteiligten sich an den großen Friedensaktionen im Bonner Hofgarten und forderten eine Entspannungspolitik ein, die zu einem Verbot von Atomwaffen führen sollte. Sie setzen sich für die Schaffung internationaler Verträge für Abrüstung ein und begrüßten die Verhandlungen zwischen den USA und der Sowjetunion, die zu Verträgen wie den INF-Vertrag führten, der zwischenzeitlich von den USA und Russland gekündigt wurde.
Seitdem haben sich NaturFreunde gegen den Krieg in Jugoslawien, den Irak-Krieg aber auch dem Krieg in Jemen und aktuell gegen den Krieg in der Ukraine engagiert. Die Losung „Nie wieder Krieg – Nie wieder Faschismus“ ist einer der zentralen Leitgedanken der NaturFreunde. Die NaturFreunde Deutschlands gehören heute zum Lenkungskreis der Initiative „Abrüsten statt Aufrüsten“, sind im Trägerkreis von „Neue Entspannungspolitik Jetzt!“ und „Büchel ist überall – Atomwaffenfrei jetzt!“ und engagieren sich im Kasseler Friedensratschlag und der Bonner Friedenskoordination.
Wir NaturFreunde sind seit vielen Jahrzehnten ein Teil der Friedensbewegung. Der Einsatz für den Frieden ist Teil unserer Geschichte. NaturFreund*innen wurden für ihren Antimilitarismus von den Faschisten ermordet, haben in Mutlangen bei den großen Blockadeaktionen teilgenommen und sich in der Friedensbewegung engagiert. Mit „Frieden in Bewegung“ setzen wir NaturFreunde mit der großen Friedenswanderung ein wichtiges Zeichen für Frieden und Abrüstung. Diesen Grundsätzen bleiben wir auch in Zukunft verpflichtet.
Uwe Hiksch