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06.04.2021 | Das Vorgehen eines Teils der brasilianischen Justiz war von Anfang an durchschaubar. Mit juristisch fragwürdigen Methoden sollte der populärste Politiker Brasiliens, der ehemalige Präsident Lula da Silva, an einer erneuten Kandidatur für das Präsidentenamt gehindert werden. Korrupte Richter, die nach der Entscheidung politisch befördert wurden und bis in Staatsämter aufstiegen, verurteilen Lula da Silva wegen angeblicher Korruption. Damit wurde der Weg für den Corona-Leugner und rechtspopulistischen Politiker Bolsonaro geebnet. Von Anfang an war deutlich zu sehen, dass die Rechtskonservativen mit Hilfe von unseriösen Praktiken gegen den ehemaligen Präsidenten vorgingen, um einer Präsidentschaftskandidatur zu verhindern. Lula da Silva ist ehemaliger Gewerkschaftsvorsitzender und hat während seiner Amtszeit „Millionen von Menschen durch großzügige Sozialprogramme aus der Armut geholt“[1].
Jetzt hat das Oberste Gericht von Brasilien vier Korruptionsurteile gegen Lula da Silva für nichtig erklärt und klargestellt, dass das „Gericht im südbrasilianischen Curitiba, das alle Prozesse gegen Lula geführt hatte, […] dafür nicht zuständig gewesen“[2] sei. Deshalb müssten die Prozesse „nun von einem Bundesgericht in Brasília neu aufgerollt werden“[3].
Die NaturFreunde Berlin begrüßen die Einstellung der politischen Prozesse gegen Lula. Hier zeigt sich, dass die brasilianische Justiz noch nicht vollkommen von der Bolsonaro-Regierung unterwandert werden konnte. Durch die Entscheidung des Obersten Gerichtshof wurden „sämtliche Urteile des Lava Jatos gegen ihn aufgehoben“[4]. Mit dem Urteil von Richter Luiz Edson Fachins hat Lula alle „politischen Rechte wiedererhalten“[5].
Zu dem Urteil erklären die NaturFreunde Berlin:
„Die NaturFreunde Berlin nehmen mit Freude zur Kenntnis, dass die politisch motivierten Urteile gegen den ehemaligen Präsidenten Lula da Silva aufgehoben wurden. Von Anfang an waren diese politischen Urteile der Versuch, einen populären Politiker an einer erneuten Kandidatur für das Präsidentenamt zu hindern.
Die NaturFreunde Berlin haben die Amtszeit des ehemaligen Präsidenten mit kritischer Solidarität begleitet und die vielfältigen Sozialprogramme für die ärmeren Bevölkerungsschichten als wichtiges Zeichen für eine Abkehr von Neoliberalismus der Vergangenheit begrüßt. Die Sozialprogramme wie das Null-Hunger-Programm (Fome Zero), das Programm Bolsa Família und die Landreform für die armen Landarbeiter*innen waren wichtige Meilensteine für die Entwicklung in Südamerika. Die Politik Lula da Silvas war auch für andere fortschrittliche Bewegungen Mittel- und Südamerikas ein wichtiger Referenzpunkt. Lula da Silva hat durch seine internationalen Kooperationen auch zur Bildung einer fortschrittlichen Koalition der antikolonialen und linken Regierungen in Südamerika beigetragen.
Gleichzeitig haben die NaturFreunde darauf hingewiesen, dass die Macht der Großkonzerne und der Agrarlobby auch in den Präsidentschaft von Lula da Silva nicht maßgeblich eingeschränkt werden konnte und auch Teile der damaligen Regierungspartei Partido dos Trabalhadores (Partei der Arbeiter) in Zusammenhang mit Skandalen in Verbindung gebracht wurde. So wurde von der Landlosenbewegung MST[6] der Regierung und der Partido dos Trabalhadores (PT) vorgeworfen, dass sie in ihrer Regierungszeit aufgrund von Zugeständnissen an die Landbarone und die Großkonzerne ihre eigentlichen Ziele aus den Augen verloren habe.
Die NaturFreunde Berlin werden weiterhin einen solidarischen Austausch mit fortschrittlichen, ökologischeren und sozialen Bewegungen in Brasilien fördern. Die Solidarität der NaturFreunde gehört den Gewerkschafter*innen, der Landlosenbewegung und den vielfältigen Aktivist*innen in den ökologischen und sozialen Bewegungen die für die Rechte der Frauen, für die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und für soziale Reformen kämpfen. Die NaturFreunde Berlin begrüßen Bestrebungen der fortschrittlichen Bewegungen und Parteien, die neoliberale, auf die Interessen der Großkonzerne und der Agrarlobby ausgerichteten Interessenpolitik des jetzigen Präsidenten, zu beenden.
Ausdrücklich begrüßen sie, dass sich Lula da Silva bei seinem Auftritt im Gewerkschaftssitz der Metallarbeiter in São Bernardo do Campo[7], für eine schnelle Impfkampagne in Brasilien zur Bekämpfung der Corona-Pandemie ausgesprochen hat und damit eine klare Gegenposition zur unverantwortlichen Politik der Regierung Bolsonaro bezogen hat. Durch die Würdigung der Beschäftigten im öffentlichen Gesundheitssystem SUS machte Lula da Silva deutlich, wo seine Sympathien und sein Respekt liegen. Auch mit dem Dank an die Landlosenbewegung und die Bewegung der Betroffenen von Staudammprojekten (Movimiento de Afectados por Represas – MAB) bezieht er Stellung für eine notwendige Neuausrichtung der Politik in Brasilien.
Die NaturFreunde Berlin teilen seine Kritik an 500 Jahren Kolonialpolitik und unterstützen die Durchsetzung eines eigenständigen Weges der Staaten Lateinamerikas für eine soziale und ökologische Entwicklung. Mit Bildungsveranstaltungen, solidarischen Aktionen und einer engen Zusammenarbeit mit den Aktivist*innen aus den sozialen und ökologischen Bewegungen wollen sich die NaturFreunde für eine grundlegende Neuausrichtung der brasilianischen Politik engagieren.“
[1] O.A., Gericht hebt Urteile gegen Lula auf, in: tagesschau.de, 08.03.2021, siehe: https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/brasilien-lula-korruption-103....
[2] fek/AFP/Reuters, Gericht hebt Korruptionsurteile gegen Ex-Präsident Lula da Silva auf, in: Spiegel.de, 08.03.2021, siehe: https://www.spiegel.de/politik/ausland/luiz-inacio-lula-da-silva-gericht...
[3] O.A., Gericht hebt Urteile gegen Lula auf, in: tagesschau.de, 08.03.2021, siehe: https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/brasilien-lula-korruption-103....
[4] Luiz Inácio Lula da Silva, Lula da Silva: "Das Wort 'aufgeben' existiert in meinem Wortschatz nicht", in: amerika21, Übersetzung: Ellen Spielmann/Viviane de Santana, 18.03.2021, siehe: https://amerika21.de/dokument/248855/rede-lula-da-silva-nach-gerichtsurteil
[5] Ebd.
[6] Movimento dos Trabalhadores Rurais Sem Terra ist die Bewegung der Landlosen
[7] Die Übersetzung der Rede von Lula da Silva findet ihr hier: https://amerika21.de/dokument/248855/rede-lula-da-silva-nach-gerichtsurteil