21.06.2017 | In Berlin hat sich in den letzten Jahren die Situation auf dem Wohnungsmarkt dramatisch verändert. War Berlin vor zehn Jahren noch die Stadt der Umzüge, in der sich die Menschen eine bessere Wohnung suchen konnten, wenn sie mit ihrer Wohnung nicht einverstanden waren, wird die Stadt heute immer mehr die Stadt der „Sesshaften“. Umzug führt heute in der Regel zu wesentlich teureren Mieten. Alleine im Vorjahr sind die Mieten in Berlin um fünf Prozent angestiegen. Die Hauseigentümer schrauben weiterhin relativ ungehindert an der Mietpreisschraube. Wer freien Wohnraum anbieten kann, erhöhrt die Miete deutlich. Bei Neuvermietungen kosten zwischenzeitlich die Mieten neun Euro pro Quadratmeter, in angesagten Vierteln wie Mitte, Friedrichshain oder Kreuzberg auch schon mal doppelt so viel.
Einer der Gründe für die dramatisch steigenden Mieten ist der großflächige Verkauf von kommunalen Wohnungsbeständen seit 1990. 1990 gab es in Berlin insgesamt 482 000 Wohnungen in kommunalen Eigentum, davon in Westberlin 236 000 Wohnungen und in Ostberlin 246 000 Wohnungen. Bis 2005 wurde von den verschiedenen Landesregierungen 209 000 kommunale Wohnungen verkauft und zum größten Teil privatisiert, so dass heute in Berlin nur noch 273 000 Wohnungen im kommunalen Besitz sind. Die Privatisierung der kommunalen Wohnungen lief in vier Wellen: Zwischen 1990 und 1995 wurden 14 000 Wohnungen verkauft, zwischen 1995 und 1998 30 000 Wohnungen, zwischen 1999 bis 2001 weitere 45 000 Wohnungen und zwischen 2002 und 2005 dann noch einmal 120 000 Wohneinheiten.
Diese Privatisierungswelle hat extrem negative Auswirkungen auf das wohnungspolitische Umfeld in Berlin. Durch den Verkauf der öffentlichen Wohnungen wurde der Umwandlungsdruck von Miet- in Eigentumswohnungen extrem gesteigert. Die neuen privaten Besitzer setzen auf Mietpreissteigerungen um ihre Investitionen profitabel zu reinvestieren. Mit dem Verkauf der öffentlichen Wohnungen wurde in Berlin das Niedrigmarktsegment faktisch ersatzlos aufgegeben.
Gleichzeitig hat sich er Berliner Senat die demokratische Gestaltung der Wohnungspolitik aus den Händen nehmen lassen und die privatisierten Wohnungen den Profitinteressen privater Großinvestoren und Fonds übertragen. Die NaturFreunde haben die Privatisierung von Wohnungen immer als großen Fehler angesehen und erwarten, dass die Privatisierung von Wohnraum langfristig in Berlin rückgängig gemacht wird und die Berliner Politik ihrer Verantwortung für das Menschenrecht auf Wohnen wieder gerecht wird.
Ein weiterer Grund für die steigenden Mieten in Berlin ist die wachsende Stadt. Bis zum Jahr 2025 wird Berlin jedes Jahr um mindestens 20 000 bis 25 000 Einwohner*innen wachsen. Die neu hinzuziehenden suchen Wohnraum, was den Druck auf die Mieten weiter erhöhen wird. Im „Wohnmarktreport“ der BerlinHyp wurde bei der Auswertung von über 100 000 Mietangeboten festgestellt, dass es eine „rasante Entwicklung“ vor allem im City-Bereich von Berlin gibt. In Mitte sind im vergangenen Jahr 8400 Einwohner hinzugekommen. Die Mieten in Mitte sind um sieben Prozent auf 10,70 Euro pro Quatratmeter im Durchschnitt gestiegen. In Friedrichshain-Kreuzberg lag der Mietenanstieg bei 5,9 Prozent auf 11 Euro pro Quatratmeter. Aber auch im Norden von Berlin in Reinickendorf stiegen die Mieten um nahezu 6 Prozent. Da aufgrund der steigenden Mieten zum Beispiel im Wedding immer mehr Menschen gezwungen werden aus dem Innenstadtring in Regionen wie Lichtenberg, Reinickendorf oder Charlottenburg zu ziehen, steigen die Mieten in diesen Bezirken immer schneller.
Um den steigenden Bedarf an neuen Wohnungen zu decken, müssten nach Berechnungen des Berliner Senats jedes Jahr 20.000 neue Wohnungen gebaut werden. Real wurden aber im letzten Jahr nur etwa 9000 Wohnungen fertiggestellt. Heute brauchen wir eine neue öffentliche Wohnungspolitik. In urbanen Räumen wie in Berlin ist der Markt nicht in der Lage, eine allgemeine und bezahlbare Versorung mit Wohnraum zu ermöglichen. Es besteht die Gefahr, dass Normalverdienende und ärmere Bevölkerungsgruppen aus der Innenstadt von Berlin verdrängt werden. Noch heute sind die großen Wohnungsbauten der 20er und 30er Jahre auf der einen Seite und den Bauten der 50er bis 70er Jahre eine wichtige Grundlage des Berliner Mietwohnungsmarktes. Mit dem Siegeszug des Neoliberalismus in der Gesellschaft wurde der öffentliche Wohnungsbau aber immer weiter zurückgedrängt.
In den nächsten Jahren wird es darum gehen, Berlin als „Stadt der Mieter*innen“ zu sichern und den Ausverkauf der Kieze zu stoppen. Die NaturFreunde Berlin unterstützen deshalb Initiativen wie „Berlin für alle“ oder „Zwangsräumungen verhindern“.
aus: WanderfreundIn 02-16