07.05.2021 | Der 1. Mai war für die NaturFreunde-Bewegung seit ihrer Gründung einer der wichtigsten Fest- und Feiertage im Jahr. Dabei war für die NaturFreunde in den 1920er Jahren der Zusammenhang von NaturFreunde-Arbeit und der Herstellung einer gerechten Gesellschaft unmittelbar verbunden. Die NaturFreunde Pfalz veröffentlichten dazu im Mai 1928 folgenden Artikel in ihrer Mitgliederzeitung:
„Maitag/Kampftag/Siegestag
Maitag! Noch lieferte der schon besiegte Winter seine Rückzugsgefechte. (…) Aber endlich ist es geschafft. Der Frühling ist Sieger. (…) Neue Hoffnung zieht in aller Menschen Herz.
So kam es auch nicht von ungefähr, daß die Vertreter des Proletariats vor beinahe 40 Jahren gerade den 1. Mai als Feiertag des arbeitenden Volkes bestimmten. Ein neuer Feiertag wurde geschaffen, nicht dekretiert von einer hohen Obrigkeit, nicht vorgeschrieben von der Kirche, sondern geschaffen aus eigener Machtvollkommenheit. Dem Proletariat war die Erkenntnis gekommen, daß es gleich dem jungen Frühling die Macht hat, die Nacht zu überwinden. Die Waffe dazu gab ihm Karl Marx. Es war ein ganz einfaches Instrument und hieß Solidarität, Zusammenschluss, Einigkeit. Und mit dieser Waffe hat das Proletariat schon manche Schlacht siegreich geschlagen. Hat immer wieder anscheinend uneinnehmbare Bollwerke des Feindes Kapitalismus überrannt und sich seinem Ziele genähert, dem Sozialismus! Dem Sozialismus, der kommenden Gesellschaftsordnung, in der nicht wenige im Ueberfluß schwelgen, während Millionen hungern, in der Gerechtigkeit eine Stätte hat. Die nicht gegenseitige Vernichtung der Völker, sondern gemeinsames Wirten, brüderlich umschließende Liebe für alle Völker, für die Völker aller Sprachen und jeder Farbe, will. So ist der 1. Mai geworden zum Kampfruf für Menschenrechte und Völkerfrieden.
Ja – so werden Kleingläubige sagen – wird denn solch eine Welt möglich sein, muß es nicht immer Arme und Reiche geben, muß nicht immer Kampf sein in der Welt? Nein, das muß nicht sein. Es wird einst anders kommen, es muß kommen. Aber, liebe Schlafmützen, von selbst kommt das natürlich nicht, da müssen wir schon ziemlich kräftig nachhelfen. Diese neue, sozialistische Gesellschaftsordnung muß erkämpft werden. Erkämpft mit der bewährten Waffe Solidarität! Deshalb sei uns der Mai ein Mahner, ein Rufer zum Kampfe. Und gerade in diesem Jahre ist der Mai wieder Kampftag. […] Also auf zum Kampfe im Kampfmonat Mai, alle in Reih‘ und Glied, keiner bleibe zurück.
Wie der Wanderer, der über schmale Pfade, über gefährliches Felsgeröll, durch dumpfe Schluchten, über toddrohende Felsenspalten doch emporstrebt zum Gipfel des Berges, so wollen wir vereint in einer Kampffront uns empor kämpfen zur Höhe, aus der Finsternis des Kapitalismus zum Lichte eines neuen freien Menschentums.
Brüder zur Sonne zur Freiheit,
Brüder zum Lichte empor.“
Aus: Berg frei: Mitteilungsblatt des Touristenvereins "Die Naturfreunde", Gau Pfalz - Ludwigshafen am Rhein, 3/1928, S. 1
aus: WanderfreundIn 01-2021