11.06.2021 | Im Dezember letzten Jahres wurde die Studie „Die Klimabilanz Berliner U-Bahn und Straßenbahnplanungen“ vorgestellt. Diese Studie belegte noch einmal überdeutlich, die bisherigen Forderungen der NaturFreunde und des Bündnisses Pro Straßenbahn. Die Studie untersuchte die Klimafreundlichkeit eines künftigen U-Bahn-Verkehrsangebots im Verhältnis zur Klimabelastung des Baus seiner Infrastruktur. Zum Vergleich wurde unter gleicher Fragestellung ein Streckenneubau für Straßenbahnen untersucht. Die Studie zeigte auf, dass sich der Bau von neuen U-Bahnlinien für das Klima erst nach mehr als hundert Jahren auszahlt.
Verkehrswende umsetzen
Wie in Berlin die Verkehrswende umgesetzt werden soll, ist stark umstritten. Während ein Teil des Abgeordnetenhauses noch immer als Verteidiger des Autoverkehrs und der autogerechten Stadt auftritt, setzten sich die progressiven Kräfte in der Berliner Politik für eine Verkehrswende ein. Ihnen ist bewusst, dass Berlin nicht mehr lange eine autogerechte Stadt bleiben darf, wenn der Verkehrssektor klimafreundlich oder gar klimaneutral werden soll. Doch auch bei den Ausbaumöglichkeiten des ÖPNV spalten sich die Meinungen. Während die SPD und die CDU den Ausbau von U-Bahnen als wichtigen Bestandteil für eine mobile Stadt sieht, setzen sich DIE LINKE und Bündnis 90/Die Grünen für den schnellen Ausbau der Straßenbahn ein. Sie kritisieren die langen Bauzeiten und hohen Baukosten von neuen U-Bahnen und fordern stattdessen den schnellen Ausbau der Straßenbahn. Die neue Studie belegt nun, dass die geplanten U-Bahnprojekte viel zu lange brauchen würden, die durch den Bau entstehenden Treibhausgasemissionen durch die vermiedenen Emissionen beim Autofahren zu kompensieren.
U-Bahn-Bau setzt viel CO2 frei
Der Neubau eines durchschnittlichen Kilometers U-Bahn-Tunnelstrecke setzt rund 100.000 Tonnen CO2 frei. Bis die beim Bau der U-Bahn-Trassen freigesetzten CO2-Mengen durch die CO2-Einsparungen im Betrieb amortisiert werden könnten, würden zwischen 109 und 230 Jahre vergehen. Der Ausbau von Straßenbahnen wiederum führt schon nach wenigen Jahren zu einer positiven Klimabilanz.
So würde zum Beispiel die Verlängerungen der U6 um zwei Kilometer auf das ehemalige Tegeler Flugfeld 230 Jahre brauchen, bis sich das Projekt klimapolitisch amortisiert hat, also die Einsparung höher sind als die Emissionen. Der Trassenbau für eine Straßenbahnlinie wiederum erzeugt wegen eines deutlich geringeren Bauumfangs auch weniger Treibhausgase, was für eine schnellere Kompensation sorgt. Für Straßenbahnen ist kein Tiefbau, nur ein Bruchteil des Betons von U-Bahnen und keine umfangreiche Stahlkonstruktion für die U-Bahn-Schächte notwendig.
Eine 4,2 km lange Strecke würde sich nach den Berechnungen der Studie schon nach 9,4 Jahren oder, wenn die Trasse komplett in einem Schotter- oder Rasenbett verlegt würde, schon nach 8,1 Jahren klimapolitisch amortisieren.
Die NaturFreunde werden sich aktiv für den schnellen Ausbau der Straßenbahn einsetzen. Sie warnen vor einer Verwässerung der bisherigen Zusagen des Berliner Senats, da eine Neuorientierung auf den U-Bahn-Bau in Realität die Verschiebung der Verkehrswende in die nächsten Jahrzehnte bedeuten würde.
Jonathan Deisler