02.10.2017 | Das NaturFreundeHaus in Hermsdorf wird 60
Am 20.8.1956 stellte der Architekt Günter Schukat beim Baupolizeiamt Reinickendorf einen Bauantrag, betreffend den Neubau eines Wander- und Jugendheimes des Touristenvereins (sic!) „Die Naturfreunde“, Landesverband Berlin e.V., Berlin-Hermsdorf, Seebadstr. 26a. Im Jahre 2002 ist Schukat der Berliner Morgenpost in ihrer Reihe „Baumeister für Berlin“ einen lobenden Artikel wert; die Zeitung zählt ihn zu den Vertretern der funktionalistischen Moderne nach 1945 und schreibt: „So sehr der Baumeister von den Historikern auch gelobt wird, so wenig ist doch über ihn bekannt. Der Name Günter Schukat steht in keinem großen Architekturführer.“ Obwohl auch er mindestens ein Baudenkmal hinterlassen hat, nämlich das 1956 in der Tempelhofer Albrechtstraße 46 erbaute Wohnhaus mit Garage. Und das NF-Haus in Hermsdorf, wir wollen es nicht vergessen, ist zwar kein Denkmal, aber es stammt von seinem Reißbrett.
Etwas mehr als ein Jahr nach dem Antrag konnte das Hermsdorfer Haus nahe dem Fließtal eingeweiht werden, und zwar von keinem Geringeren als Paul Löbe (1875-1967), Reichstagspräsident in der Weimarer Republik und Hitlergegner. Und weil das so ist, können die Berliner Naturfreunde am 23. September 2017 den 60. Geburtstag des Hauses festlich begehen – und wollen es auch! Alte vergilbte Fotos zeigen, wie junge Leute sich ihr Haus erobern, indem sie mitarbeiten bei der Gestaltung des Umfeldes oder auch mal zum Pinsel greifen. Immer dabei: die Klampfe. Und Bücher. Lesende junge Leute, was für ein erfreulicher Anblick!
1989 gehören diese Jugendlichen womöglich zu den Senioren, die sich laut Wanderfreund Heft 2/89 jeden Donnerstag von 15 bis 18 Uhr im Hermsdorfer Haus treffen, um bei gemütlicher Kaffeerunde Erinnerungen auszutauschen, interessante Vorträge hören und – Lieder singen. Ob sie auch darüber gesprochen haben, dass das Haus Thema einer Diplomarbeit war, die am 5.5.1988 an der Uni Kassel eingereicht wurden? Das Thema lautete: „Erweiterung des Naturfreundehauses in Berlin-Hermsdorf. Entwurf eines Gästehauses mit Ökostation für die Naturfreundeorganisation in Berlin-Hermsdorf unter umweltschonenden und energiesparenden Aspekten“.
Das in einem Landschaftsschutzgebiet gelegene Haus, so schreibt Heimwart Hans Altenberg 1962, sei eine Oase der Ruhe und des Friedens; damit dies nicht nur Worte bleiben, wird es 1983 zur Atomwaffenfreien Zone erklärt. Der Besuch insbesondere von westdeutschen Jugendlichen ist rege, aber es kommen auch internationale Gäste. 1977 und 1991 findet der Internationale Naturfreundetag in Hermsdorf statt. Die Jugendgruppe „Die Rumtreiber“ trifft sich hier, auch die Kindergruppe „Rotfüchse“. NaturFreund*innen feiern Weihnachten, es ist überhaupt viel los, das Haus wird rege genutzt. So gab es auch von ca. 2000/02 bis 2009 eine Gesangsgruppe im Haus, organisiert von den Reinickendorfern.
Aber Sorgen machte das Haus auch. So heißt es in einem Bericht von der Landeskonferenz 1983: „Unser Naturfreundehaus ‚Hermsdorfer Fließtal“, für das schon so viele Mittel und ungezählte Arbeitsstunden von ehrenamtlichen Helfern aufgewendet wurden, bereitet uns immer neue finanzielle Sorgen. Und doch muss alles getan werden, um dieses Haus den Berliner Naturfreunden zu erhalten.“ Wer kennt das nicht: Geld fehlt ja immer. Dann wurde das Tischtennisspielen auf einer Betonfläche hinter den Toiletten wurden wegen einer Nachbarschaftsklage verboten, 2003 gab es einen erheblichen Brandschaden in Küche durch einen Elektrowasserkocher. Und dann ist da noch die Natur selber, die hin und wieder Sorgen bereitet: in Gestalt einer Wildschweinplage.
Und doch: Das Haus steht. Es steht fest, und es wird wohl noch weitere 60 Jahre stehen. Herzlichen Glückwunsch unserem Haus!
Am Samstag, 23. 9. 2917 findet ab 14.00 Uhr ein Familienfest im NaturFreundehaus Hermsdorf statt. Grußworte werden Matthias Kollatz-Ahnen (Finanzsenator von Berlin) und Michael Müller (Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschlands) halten.
Frank Goyke
aus: WanderfreundIn 03-2017