07.01.2021 | Die NaturFreunde Berlin begrüßen den Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung von Charlottenburg-Wilmersdorf, sich für eine Fahrradstraße auf der Havelchaussee einzusetzen. Die NaturFreunde unterstützen das Anliegen, dass die „Havelchaussee auf den 7,8 Kilometern zwischen Postfenn und Kronprinzessinnenweg in eine Fahrradstraße umgewandelt werden soll“[1]. Hierbei muss der Berliner Senat „diese Straße zunächst aus dem Hauptverkehrsstraßennetz herausnehmen“[2]. Die NaturFreunde erwarten von jetzigen rot-rot-grünen Senat, dass dieser Schritt noch in der laufenden Legislaturperiode umgesetzt wird.
Der Antrag „Havelchaussee zur sicheren Fahrradstraße umwandeln“, der gemeinsam von den Fraktionen DIE LINKE, SPD und Bündnis 90/Die Grünen eingereicht wurde, fordert den Bezirk auf, „sich bei der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz dafür einzusetzen, dass eine Entlassung der Havelchaussee aus dem Hauptverkehrsstraßennetz ermöglicht wird, um die Havelchaussee zwischen Postfenn und Kronprinzessinnenweg in eine Fahrradstraße umzuwandeln.“[3] Weiter heißt es in den Antrag, dass „eine vollständige Sperrung für den motorisierten Durchgangsverkehr, z.B. durch einen Modalfilter und andere Maßnahmen“[4] eingerichtet werden soll und dabei „die freie Durchfahrt für den Bus- und Radverkehr zu gewährleisten“[5] sei. „Gegen den Beschluss stimmten Vertreter der CDU, FDP und AfD.“[6]
Individualverkehr muss auf Wirtschaftsverkehr beschränkt werden
Kritisch sehen die NaturFreunde die allgemeine Aussage in dem Beschluss, dass „die Ausflugsgaststätten […] weiterhin für Pkw-Anlieger*innen erreichbar“[7] bleiben sollen. Im Tagesspiegel wird dieser Beschluss so ausgelegt, dass „trotz der schwammigen Formulierung […] damit Restaurantgäste gemeint“[8] seien. Die NaturFreunde erwarten, dass unter ‚Anlieger*innen‘ lediglich die dort Arbeitenden und notwendiger Wirtschaftsverkehr definiert werden und kein allgemeiner Ausflugsverkehr zu den Gaststätten erlaubt wird. Gäste der Ausflugsgaststätten sollen mit dem öffentlichen Verkehr anreisen. Wird hier die Ausnahme zu weit gefasst, besteht die Gefahr, dass weiterhin ein großflächiger PKW-Verkehr von Badegästen, Gästen in den Ausflugslokalen oder Spaziergehenden stattfinden wird, da eine klare Abgrenzung bei der Anfahrt nicht eindeutig geklärt werden kann. Die NaturFreunde erwarten, dass es zu einer vollständigen Sperrung der Havelchaussee für den motorisierten Individualverkehr kommt. Ausnahmegenehmigungen müssen dann bei der zuständigen Bezirksverwaltung beantragt werden. Ausdrücklich unterstützen die NaturFreunde die Forderung der BVV, dass „das Busangebot enger vertaktet und auf die Abendstunden ausgedehnt wird“[9].
Frederike-Sophie Gronde-Brunner von der Linksfraktion sieht in der Schaffung einer Fahrradstraße auf der Havelchaussee einen „echten Gewinn für alle Berliner*innen und insbesondere für die Umwelt“[10]. Der Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion, Sebastian Dieke, macht deutlich, dass die Sperrung der Havelchaussee für den motorisierten Individualverkehr „die einmalige Chance dar[stellt], diese Strecke für Radfahrer*innen, Fußgänger*innen und für alle Ausflügler*innen sicher und attraktiv zu gestalten“[11]. Ausdrücklich teilen die NaturFreunde auch die Einschätzung, dass der derzeitige verkehrliche Zustand auf der Havelchaussee nicht akzeptabel ist, bei dem sich „Autokolonnen über die Havelchaussee [quetschen und] Radfahrer*innen […] immer wieder von Autofahrer*innen an der kurvigen Strecke bedrängt“[12] werden.
Nicht ausreichend ist der Vorschlag der SPD-Fraktion in der BVV Steglitz-Zehlendorf, die lediglich „eine temporäre Sperrung für Autos am Wochenende“[13] vorschlägt.
Petition gegen Sperrung nicht nachvollziehbar
Völlig unnachvollziehbar ist die auf ‚change.org‘ gestartete Petition „Berliner Naherholung in Gefahr: Havelchaussee muss frei bleiben!“[14], die von 812 Petent*innen unterstützt wird[15]. In der Petition wird behauptet, dass „eine solche Gruppen-egoistische Forderung der Fahrrad-Aktivisten, die den größeren Teil der Bevölkerung von den wichtigen Naherholungsmöglichkeiten an der Havel ausschließen würde“[16] nicht akzeptabel sei. Die Petition zeigt überdeutlich, dass es noch immer eine Reihe von Berliner*innen gibt, die Mobilität nur mit dem Auto denken wollen. Hier ist in den nächsten Jahren noch ein schwieriger Prozess zu organisieren, um auch Menschen mitzunehmen, die einer ökologischen Verkehrswende kritisch gegenüberstehen.
Ausdrücklich unterstützen die NaturFreunde den Vorschlag der SPD-Fraktion der Steglitz-Zehlendorfer Bezirksverordnetenversammlung, dass „die Anfahrt zum Baden [… mit] einer eigenen Pendel-Buslinie mit behindertengerechten Fahrzeugen“[17] organisiert werden kann. Wenn jedoch in der Change-org-Petition von „drangsalierten Autofahrern“[18] gesprochen wird, blendet diese Resolution die reale Verkehrssituation in Berlin völlig aus. Noch immer hat das Auto in weiten Teilen Berlins Vorrang und die auf das Automobil fixierten Verkehrspolitik wird nur langsam verändert.
Auch die Kritik, dass sich „Wassersportgeräte wie Kajaks, SUP Boards oder Faltboote […] nicht mit dem Fahrrad transportieren“[19] ließen, hat mit der Realität an der Havelchaussee wenig gemein. Wassersportler*innen haben an der Havel vielfache Einstiegsmöglichkeiten und sind hier nicht auf den Abschnitt der Havelchaussee angewiesen.
NaturFreunde wollen autofreie Havelchaussee noch in dieser Legislaturperiode
Eine der Schwerpunkte der „Autofrei-Kampagne“ der NaturFreunde Berlin wird die Forderung nach der Umsetzung einer autofreien Havelchaussee werden. Die Havelchaussee war bereits in den 1990er Jahren „durch den Senat unter Walter Momper (SPD) für den Autoverkehr gesperrt“[20] worden. Die NaturFreunde erwarten, dass jetzt schnell gehandelt wird, um möglichst schon in der nächsten Badesaison eine autofreie Havelchaussee erreicht zu haben. In den nächsten Monaten werden die NaturFreunde eine Reihe von Aktionen zur Unterstützung dieser Forderung starten.
Uwe Hiksch
[1] SPD-Fraktion Charlottenburg-Wilmersdorfaus Charlottenburg-Wilmersdorf, Havelchaussee wird (wieder) Fahrradstraße, in: Berliner Woche, 23.11.2020, siehe: https://www.berliner-woche.de/charlottenburg-wilmersdorf/c-politik/havel...
[2] Ebd.
[3] Drucksachen der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin, 5. Wahlperiode, Antrag LINKE/SPD/Grüne, Havelchaussee zur sicheren Fahrradstraße umwandeln, DS-Nr: 1583/5, Ausdruck vom: 25.11.2020.
[4] Ebd.
[5] Ebd.
[6] Cay Dobberke, BVV-Mehrheit will die Havelchaussee zur Fahrradstraße machen, in: Tagesspiegel Leute Charlottenburg-Wilmersdorf, 13.11.2020, siehe: https://leute.tagesspiegel.de/charlottenburg-wilmersdorf/macher/2020/11/...
[7] Drucksachen der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf, a.a.O.
[8] Ebd.
[9] Drucksachen der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin, 5. Wahlperiode, Antrag LINKE/SPD/Grüne, a.a.O.
[10] Linksfraktion Charlottenburg-Wilmersdorf, Havelchaussee wird zur sicheren Fahrradstraße, in: Berliner Woche, 12.11.2020, siehe: https://www.berliner-woche.de/charlottenburg-wilmersdorf/c-verkehr/havel...
[11] Ebd.
[12] Ebd.
[13] Katrin Lange, Am Wochenende soll die Havelchaussee den Radfahrern gehören, in: Berliner Morgenpost, 05.08.2020, siehe: https://www.morgenpost.de/berlin/article230101162/Am-Wochenende-soll-die...
[14] Dieter Zurstrassen, Berliner Naherholung in Gefahr: Havelchaussee muss frei bleiben!, siehe: change.org, ohne Datum, siehe: https://www.change.org/p/berliner-senat-und-bvv-charlottenburg-berliner-...
[15] Stand 07.01.2021.
[16] Dieter Zurstrassen, Berliner Naherholung in Gefahr: Havelchaussee muss frei bleiben!, a.a.O.
[17] Karla Rabe, Havelchaussee: SPD ist für temporäre Sperrung – Die Linke will eine Fahrradstraße, in: Berliner Woche, 30.07.2020, siehe: https://www.berliner-woche.de/nikolassee/c-verkehr/havelchaussee-spd-ist...
[18] Dieter Zurstrassen, Berliner Naherholung in Gefahr: Havelchaussee muss frei bleiben!, a.a.O.
[19] Ebd.
[20] SPD-Fraktion Charlottenburg-Wilmersdorfaus Charlottenburg-Wilmersdorf, Havelchaussee wird (wieder) Fahrradstraße, a.a.O.