19.11.2018 | Seit vielen Jahren wurde bei den NaturFreunden über Themen wie „Nacktkultur“ und „Freie Liebe“ diskutiert. Dabei wurden sehr hohe theoretische Abhandlungen in den Zeitschriften der NaturFreunde veröffentlicht, in denen sich NaturFreunde für die Freiheit der Geschlechter und für eine neue Form des Zusammenlebens aussprachen. Aber wie so häufig waren auch hier die theoretischen Einsichten und die Realität im Alltag durchaus sehr unterschiedlich. Die NaturFreundin Marie Weiher aus Forst an der Lausitz schrieb unter der Überschrift „Etwas vom freien Menschen“ im „Fahrtgenoß“ in der Ausgabe März/April 1929:
„Etwas vom freien Menschen
Wie häufig erhält man von verheirateten Genossen bei Treffahrten auf die Frage „Wo ist deine Frau?“ die Antwort: „Zu Hause; sie muss beim Kinde bleiben.“ Oder „Sie ist nicht mit der Arbeit fertig geworden, da konnte sie nicht mitkommen.“ Komisch. Niemals hört man, der Mann muß mal beim Kinde bleiben, oder der Mann ist nicht mit der Arbeit fertig geworden. Es ist ein Vorrecht des Mannes, das er sich selbst gibt, sich immer von der Beteiligung an der Arbeit im Haushalt zu drücken. Etwas mehr Gleichberichtigung in dieser Frage würde aber manche Ehe für b e i d e Teile etwas paradiesischer gestalten, würde aus manchem Weibe, das nur ein gehetztes Arbeitstier ist, eine geistig gleichwertige Lebenskameradin machen.“
aus: Fahrtgenoß – Monatsschrift für proletarisches Wandern“ des Touristen-Verein „Die Naturfreunde, Zentrale Wien, Gau Brandenburg“ in der Ausgabe März/April 1929, S. 15.